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Business as usual in Südafrikas Atompolitik

Südafrikas einziges Atomkraftwerk Koeberg. Foto: paulscott56 Lizenz: CC-BY-SA Quelle: Flickr

Antonie Katharina Nord
Das südafrikanische Kabinett hat Mitte März einen nationalen Energie- und Elektrizitätsplan (Integrated Resources Plan 2010) verabschiedet, der einen massiven Ausbau der Atomenergie vorsieht. Geplant ist, den Anteil der Atomenergie am Energiemix des Landes von derzeit 6 auf 23 Prozent zu erhöhen. Bis zum Jahr 2030 sollen bis zu sechs neue Atomkraftwerke gebaut werden, wobei der erste Reaktor im Jahr 2023 ans Netz gehen soll.

Es ist seit Jahren bekannt, dass das südafrikanische Energieministerium und der staatliche Energiekonzern Eskom einen Ausbau der Atomenergie planen. Nuklearenergie wird als schnelle und einfache Lösung der Energieengpässe des Landes gepriesen, als eine Technologie, die „nur einen Telefonanruf entfernt sei“ wie ein Abgeordneter der größten Oppositionspartei DA im Parlament betonte, nachdem er mit dem Energieausschuss eine Studienreise nach Frankreich unternommen hatte – auf Einladung der französischen Atomfirma Areva.

Südafrikas Umweltverbände hatten allerdings auf ein Umdenken in dieser Frage hingearbeitet, und bei den zahlreichen öffentlichen Anhörungen zum nationalen Energieplan „IRP 2010“ auf die Risiken und Kosten der Atomenergie aufmerksam gemacht. Die Tatsache, dass das Kabinett trotzdem den Startschuss für massive Investitionen gegeben hat, und dies nur kurze Zeit nach der Katastrophe von Fukushima, hat nun viele schockiert. In einem offenen Brief an die Ministerinnen für Energie, Peters, und Umwelt, Molewa, kritisieren 23 Organisationen diese Entscheidung und fragen, wie es sein kann, dass weltweit kritisch über die Zukunftsfähigkeit von Atomenergie diskutiert wird, während Südafrika fortfährt, als wäre der Unfall in Japan nicht geschehen.

Der Druck der Öffentlichkeit in der Atomfrage bleibt jedoch weitgehend auf Umwelt- und Kirchengruppen beschränkt. Obwohl sich der einflussreiche Gewerkschaftsdachverband COSATU und die Bergbaugewerkschaft NUM öffentlich gegen Nuklearenergie und für Erneuerbare Energien aussprechen – nicht zuletzt deswegen, weil Investitionen im Bereich Erneuerbare Energien mehr Arbeitsplätze versprechen - bleibt Atompolitik für die meisten Südafrikaner ein Nischenthema. Selbst die Frage, ob das bisher einzige Kernkraftwerk des Kontinents, Koeberg, über 30 Jahre nach Baubeginn und in der Nähe einer geologischen Bruchlinie positioniert , noch aktuellen Sicherheitsstandards entspricht, war nur kurz Titelthema für die Tageszeitungen. Allerdings wird in den Blättern darüber spekuliert, ob die neue „Nuklearflotte“ von den Franzosen oder von den Amerikanern gebaut werden wird oder ob doch China oder Südkorea den Zuschlag erhalten werden, wobei besonders Südkorea die angeblich kostengünstigere Alternative wäre.

Das Kostenargument gegen die Atompläne, das auch um politische Neutralität bemühte Wissenschaftler Südafrikas immer wieder anführen, findet durchaus Gehör beim regierenden ANC. Vielen ist immer noch die gigantische Fehlinvestition in einen südafrikanischen Kugelhaufenreaktor ein Dorn im Auge, ein Eskom-Projekt, das 2009 erfolglos eingestellt wurde, nachdem über 9 Milliarden Rand (rund 0,9 Milliarden Euro) investiert worden waren.

Daher ist es ein kleiner Erfolg für südafrikanische Umweltgruppen, dass das Energieminsterium nach kritischen Rückfragen seine ursprünglichen Angaben über die zu erwartenden Kosten des Ausbaus der Atomenergie um 40 Prozent nach oben korrigieren musste. Auch der große Anteil an erneuerbaren Energien im zukünftigen Energiemix des Landes, der laut Energieplan zukünftig 40 Prozent betragen soll, ist eine gute Nachricht. Südafrika hat damit zum ersten Mal konkrete Zahlen vorgelegt, wie das Land die einseitge Ausrichtung seiner Energiegewinnung auf Kohle (derzeit über 90 Prozent) überwinden und damit seinen Treibhausgasausstoß reduzieren will. Zumindest in einem energiepolitischen Sektor bewegt sich das Land vorwärts.

See also the english Dossier: Energy Policy in South Africa

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